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Albrecht Fischer-Braun · 

Der Ölberg an der Walterichskirche in Murrhardt

Der "Ölberg" an der Walterichskirche in Murrhardt - eine Entdeckung am Ostermontag 2025

Die Darstellung ist außen an der Walterichskirche in Murrhardt zu finden. Sie ist wohl nur an wenigen Tagen im Jahr geöffnet.

Hier wird in einem großen Retablo, einem Flügelaltar, die Szene aus Lukas 22 dreidimensional dargestellt. Obwohl sich die Dartellung im Freien befindet, ist der gotische Altar komplett aus Holz gearbeitet.

In der Mitte ist das Gebet von Jesus im Garten Getsemani zu sehen - links oben steigt, klein, aber deutlich hervorgehoben, eine Gestalt über einen Zaun, die für den Satan steht. Er ist als Soldat "verkleidet".

Um das gesamte Bild zu sehen, klicken Sie bitte in das Foto.

Rechts deutet sich die Verhaftung von Jesus an. Judas, in gelber Kleidung gezeigt und durch einen großen Geldbeutel erkennbar, wird hier von einem Scharfrichter begleitet, der durch Strick und Beil zu erkennen ist.

Jesus wird von drei schlafenden Aposteln begleitet: Vorne liegt Petrus, der vor sich ein Schwert in der Hand hält. Links neben ihm schläft sitzend wohl Jakobus, der in der Darstellung seines Gesichts, seiner Frisus und seines Gewandes Jesus entspricht (auch, wenn er noch ein grün-rot-gelbes Tuch über dem braunen Stoff trägt). Am rechten Bildrand ist Johannes zu sehen mit blonden Locken.

Neben dem betenden Jesus im linken Drittel, dessen Auge sich am "Satan" vorbei auf den Engel mit dem Kelch des Leidens richtet, werden zwei Drittel der Darstellung von den Kriegsknechten dominiert, die vorne dreidimensional dargestellt sind und die nach hinten, im Hintergrund, als Gemälde fortgesetzt werden, damit die Schar der Kriegsknechte bedrängend und dominierend wirkt.

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Albrecht Fischer-Braun · 

2024: Ostee und Polen

Geschichtsträchtiger Urlaub 2024: Ostsee und Polen

Tag 1: Anfahrt bis Naumburg

Wir starten erst am späten Nachmittag auf die Tour: Über Berlin soll es zunächst nach Stettin gehen. Mir fällt Naumburg unterwegs ein mit dem schönen Dom – das könnte ein erstes Ziel werden. Wir übernachten beim Gradierwerk in Bad Sulza, erinnern uns an Besuche dort in den 1980er Jahren, auch, als wir kurz beim Kurheim „Sophie“ vorbeischauen: Seit vielen Jahren leitet Eckart Behr das Kurheim, wo wir in den 1980er Jahren mehrfach waren.

Bei der Fahrt merken wir, wie sich manches unterwegs in den letzten Jahrzehnten verändert hat – die Fahrt vor der alten Grenze hinab, über die Brücke, unter der bis zur Wende der Grenzzaun war, vorbei an Hirschberg (was bis 1989 immer spannend war mit dem Grenzübertritt) – das kommt genauso wieder wie dann ab dem Autobahnkreuz und der Abfahrt auf die kleinen Straßen und so mancher Name der Dörfer. Viele Windräder fallen unterwegs auf und im Kurheim Sophie hat sich viel verändert. Vieles neu gebaut und nun sind es insbesondere Neubauten, welche die Kurklinik Sophie prägen. Ein Glockenspiel mit 18 Glocken an der Fassade; viele Spielgeräte für Kinder; Therapiehochbeete für Küchenkräuter; der Rückblick auf den 200. Geburtstag der Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach. Neben der Medizinischen Rehabilitation bietet die jetzt 140 Jahre alte Klinik „eine umfassende menschliche Zuwendung“ neben Kardiologie, Orthopädie und Pädiatrie, die gut aufgestellt erscheinen.

Am Womo-Stellplatz am Gradierwerk übernachten wir, der neben überschaubaren 18,50 € immens viele Daten von mir will, dafür aber Toiletten, Duschen und WLAN bietet.

Tag 2: Naumburg … und Wanderung im Saaletal

Zum Gottesdienst fahren wir in den Naumburger Dom, sind jedoch ziemlich enttäuscht, sowohl von der Gestaltung der Taufe wie auch von der Predigt. Der Prediger versucht, Unterschiede zwischen den Religionen darzustellen, trifft das jedoch nicht gut. - Nach dem Gottesdienst füllt sich die Kirche rasch mit Touristen. Es gibt hier zwei Chöre - und entsprechend auch zwei Lettner. Auf der einen Seite, für die Gemeinde derzeit „hinten“, hat der ansonsten namentlich unbekannte „Naumburger Meister“ sehr spannungsvoll Würdenträger dargestellt.

Auf dem Altar zwischen den Würdenträgern

wurde 2022 ein Retabel von Michael Triegel aus Dresden installiert mit seiner Ergänzung von Cranach-Bildern. Das Retabel hat zu deutlichen Verwerfungen und Verwicklungen geführt, über die verschiedene Bücher informieren. Eine Sorge war, ob dem Dom das Prädikat „Weltkulturerbe“ entzogen wird, weil das Retabel den Blick auf die Würdenträger verstellt? Oder geht es um das Kunstwerk von Triegel?

Um die Gemüter etwas abzukühlen, war bis Ende 2023 das Altarbild ausgeliehen und wurde an verschiedenen Orten gezeigt – jetzt ist es wieder da. Dietrich Bonhoeffer ist zu sehen, arme Menschen, bei denen deutlich wird, dass sie für unterschiedliche Kulturkreise stehen. – Mir gefällt es gut, auch, wie die Menschen dargestellt werden. Sie wirken auf mich, quasi realistisch, so, wie ich sie in diesem Bild sehe.

Als wir nach der Besichtigung zum Womo zurückkommen, hängt eine Notiz von der Polizei daran: Unser Rückspiegel wurde abgefahren. Nach einigen Telefonaten ist klar, wir könnten vielleicht am Montag vielleicht einen neuen Spiegel bekommen. Eigentlich wollten wir am Abend in Polen sein, doch das wird nun nichts.

Wir machen bei Bad Kösen eine Wanderung über dem Saaletal. In Saaleck gehen wir hoch zur Saalburg. Zwei Türme gibt es noch, wo man mal überlegt hat, hier eine Jugendherberge zu machen – wie das hätte gehen sollen, bleibt mir ein Rätsel. Das spannendste hier ist der Bericht, wie die Mörder von Rathenau hierher geflohen waren. Während ein Herr von Stein versucht hat, etwas für sie zu unternehmen, wurde der eine erschossen - und der andere hat sich dann selbst erschossen.

Wir gehen zur Rudelsburg und an einem Denkmal für den jungen Bismarck vorbei (von den Kösener Studenten erbaut), bis zum Löwendenkmal für die Verstorbenen der Weltkriege (ebenso von den Studenten).

Eine kleine Fähre bringt uns in Bad Kösen über die Saale: Der Fährmann bewegt die Fähre einfach mit einem eingekerbten Holz an einem Seil über die Saale.

Tag 3: Fahrt nach Weimar und Jena

Der Spiegel kommt erst einen Tag später. So entscheiden wir uns für eine Fahrt nach Weimar, zur Bauhaus-Ausstellung und nach Buchenwald. Ich erinnere mich, wie ich Mitte der 1980er Jahre zum ersten Mal hier war und frage mich: Wie sieht es wohl jetzt aus, nach vielen Jahrzehnten, in Buchenwald und in der Gedenkstätte?

Es ist auch jetzt wieder etwas sehr Besonderes, hier ins frühere Konzentraionslager zu kommen. Mir vorzustellen, was da geschehen ist.

Wie Menschen anderen so etwas antun können – im Untergeschoss des Krematoriums Haken an Haken, wo Menschen erdrosselt wurden. Darüber die „Genickschussanlage“ – vor einer Wand ein eingelassenes Maßband mit einem Scheitel, unter den sich Menschen stellen mussten, als werde ihre Größe ermittelt – dahinter, in der Mitte, ein Schlitz, durch das jemand hinter der Wand auf den Menschen schießen konnte: Ohne ihm ins Angesicht schauen zu müssen. Daneben so etwas wie ein Behandlungszimmer …

Und dann, das war mir auch nicht mehr in Erinnerung gewesen, das „kleine Lager“ und die Krankenstation. Weit weg auch vom jetzigen Parkplatz, geht es zunächst durch das ganze Lagergelände, bis zur Krankenstation und eben auch zum „kleinen Lager“: Alte Pferdeställe – einmal für bis 50 Pferde angelegt, in denen hier 1.000, manchmal sogar 2.000 Menschen untergebracht wurden. Medizinische Experimente mit Viren und anderen Injektionen, von denen manche, die bei diesen grausamen Experimaenten infiziert wurden, noch später ermordet wurden: Es sollten keine Ergebnisse oder Eindrücke nach außen dringen.

Im Bauhaus-Museum In Weimar können wir einiges Interessante entdecken – auch, dass jemand vom Bauhaus den Schriftzug in Buchenwald „Jeden das Seine“ designt hat.

Erst nach dem Urlaub klärt mich ein Artikel der Bundeszentrale für Politische Bildung auf, sowohl über Franz Ehrlich, Bauhaus-Schüler, der wegen kommunistischer Aktivitäten verhaftet und 1937 nach Buchenwald verlegt wurde. Ebenso über das „Suum cuique“ als klassischer Rechtsgrundsatz und Wahlspruchs Preußens im 18. Jahrhundert.[1] Schon Platon und Cicero wie Justinian, Bach in seiner Kantate „Nur jedem das Seine" (1715), dann auch bei Kant, bei Goethe, Marx oder Mörike griffen das Zitat auf. In Buchenwald wird daraus eine Todesformel. Kaum jemand konnte das besser zusammenfassen als Herbert Sandberg, der Buchenwald überlebt hat: „Uns den Tod, ihnen den Sieg, so verstanden die barbarischen Schöpfer die schmiedeeiserne Schrift."

Als wir im Haus der Weimarer Verfassung den Kurzfilm über Weimar anschauen, der in 14 Minuten zentrale Punkte und Personen der Weimarer Zeit zeigt, wussten wir noch nicht, wie geschichtsträchtig dieser Urlaub werden würde.

Tag 4: Jena, Naumburg und Fahrt Richtung Polen

Wir übernachten in Jena, wo wir vom 28. Stock des Jenaer Turms eine klasse Aussicht genießen. Eine Ausstellung im Jenaer Dom des Denkmalschutzes irritiert mich deutlich.

Wie schön, dass zugleich jemand von J.S. Bach die dorische Fuge an der Orgel spielt. Das versöhnt mich, denn das ist einfach ein tolles Stück.

Dann fahren wir zur Autowerkstatt, wo es perfekt klapptmit dem neuen Außenspiegel. Dann geht es weiter nach Polen, erste Station soll Stettin sein. Je näher es an die Grenze geht, desto weniger Autos sind unterwegs. An der Grenze gibt es auf der gegenüberliegenden Spur bei der Einreise nach Deutschland Kontrollen. Wir fahren unkontrolliert nach Polen.

In Stettin gibt es den Campingplatz nicht, auf den unser Womo-Führer verweist. Auch der Hinweis auf einen weiteren Platz in der Nähe hilft nicht. Wir fahren nach Norden in Richtung Ostsee. Nach mehreren Versuchen finden wir dann kurz vor Wolin einen Stellplatz. Ein kleiner Platz mit 12 Plätzen ist nur mit vier Autos belegt. Den Besitzer kriegen wir nicht zu Gesicht, meine Anrufe nimmt er auch nicht entgegen, schickt mir aber per SMS, was es kostet: 30 €, dazu den Code, falls wir Kajak fahren wollen.

Tag 5: Miedzyzdroje

Während wir mit dem Womo-Führer im Reise Know-How Verlag bislang keine guten Erfahrungen gemacht haben (Mirko Kaupat, Die schönsten Routen durch Nordpolen), finden wir den Führer „Polnische Ostseeküste“ von Isabella Schinzel (Michael Müller-Verlag) richtig gut. Hier gibt es eine Wanderung von Miedzyzdroja nach Wiselka. Ich stelle mein Rad in Wiselka ab, um von hier nach Ende der Wanderung zum Womo weiterfahren und es abholen zu können.

Bei Goran parken wir, essen noch kurz was und müssen feststellen, dass ein Ranger nicht nur kassiert, sondern dass auch Hunde nicht in den Nationalpark dürfen. Beim nächsten Parkplatz hören wir, dass wir auch um 50 Zloty übernachten können – und, so die Ranger, Billy darf hier auch mit an den Strand, obwohl die Schilder das Gegenteil zeigen. Also nehmen wir Badesachen mit, gehen zum „Kaffeeberg“ mit Aussicht, von dort eine lange Treppe bis zum Strand hinunter. Billy will einerseits ins Wasser, ist aber nicht mehr in der Lage, den Wellen Stand zu halten; er macht nach dem Baden auch einen etwas müden Eindruck.

Wir gehen bis Miedzyzdroje, kaufen einen schwarzen Heilbutt: Ein sehr leckeres Abendessen!

Tag 6: Nach Kamen Pomorski und Rewal bzw. Niechorze

Erstes Ziel heute ist Kamien Pomorski mit der Johannes-Kathedrale. Sie hat auch hörenswerte Barock-Orgel von 1672. Leider ist das nächste Konzert erst in einer Woche. Schade ist, dass der Chorraum verschlossen ist: Wir kommen nicht näher an das Triptychon von Veit Stoß heran. Schön sind die Bilder am Kanzelaufgang, dass Gott Wachstum schenkt,

 

vom „lieblichen Echo“ – und auch der schwarze Jesus am Kreuz, die ikonostatische Darstellung der Gottesmutter bzw. die Bilder am Eingang zum Chor vom Manna oder von Abraham und Isaak (Gen 22).

Wir steuern den Campingplatz Pomona bei Rewal an, wo zwei Plätze frei sind und besuchen noch den Strand.

Tag 7: Über Kolberg nach Smoldznski Las

Erstes Ziel heute ist Kolberg, wo wir in einem Art „Kartoffelhaus“ zu Mittag essen, Kartoffelküchlein bzw. eine - sehr große - Ofenkartoffel mit Chili con carne. Die Kathedrale ist sehr dunkel. Viele Schilder weisen darauf hin, man könne jetzt die Kathedrale nicht besichtigen, es sei Gottesdienst – aber da ist keiner. So nehmen wir uns Zeit, den großen siebenarmigen Leuchter zu besichtigen.

Nachdem es zu regnen beginnt, fahren wir weiter nach Osten, fragen im Zentrum des Slowinzischen Nationalparks wegen Wanderungen, die wir auch mit Billy machen können und erfahren: Das sind die, die pink gekennzeichnet sind, die mit Hund möglich sind. Bald erreichen wir „Camp Classic“, einen einfachen Campingplatz, der nur 70 Zl/Nacht kostet, aber neue Duschräume hat und ein (langsames) WLAN.

Tag 8: In Smoldznski Las

So einfach ist es gar nicht, Tickets für den Nationalpark zu erhalten: Die Website ist nur polnisch; vielleicht liegt es an den langen Ladezeiten, dass auch die Übersetzung auf englisch nicht gut funktioniert. Auch eine vernünftige Vergrößerung der Karte (die jeweils neu geladen wird) klappt genauso wenig wie ein Online-Kauf. So wollen wir in Klupski im Museum ein Ticket kaufen – doch man meint, wir müssten ins nächste Dorf fahren. Also fahren wir am Campingplatz vorbei, parken dann und besuchen den Leuchtturm, über eine Treppe mit weit über 300 Stufen. Der Blick, v.a. auf die Dünen, ist sehr schön. Auch die Kiefern unterwegs sind echt reizvoll gewachsen.

Wir besichtigen das Freilichtmuseum „Muzeum wsi Slowinskiej w Klukach“. Es präsentiert alte Karten von Pommern. Gezeigt wird, wie auf dem Holzherd Waffeln und Kuchen im Holzofen gebacken werden; es gibt Suppe aus roter Beete, Joghurt und so manches mehr, das jeweils gegen eine kleine Spende abgegeben werden. Schade, dass die auf alt „verkleideten“ Mitarbeiter kaum Lust haben, wenig auf Besucher zugehen: Mit etwas mehr versprühter Begeisterung für ihre Tätigkeiten würde ihnen die Arbeit wohl auch mehr Spaß machen.

Auf einem kleinen Wanderweg gehen wir zu einem Aussichtsturm bei einer Anlegestelle. Der Wind bläst so über die Enden der Röhren, dass sich Naturtöne bilden. Hier wieder ein schöner Ausblick über die Seen, hinüber zu den - teils wandernden - Dünen.

Dann versuchen wir uns mit einer Radtour. Wir fahren auf einem Radweg, wo schon am Anfang ein Hinweis steht, dass es teils schwierig werden könnte durch das sumpfige Gelände. An vielen Stellen sind Holzbrücken gebaut, die mit einer Stufe beginnen. Davor liegt meist Schlamm, sodass man nicht immer einfach raufkommt. Wir kommen langsamer voran, als wenn wir sonst einfach gehen würden. Nach knapp zwei km beschließen wir: Das wird nix. Auf dem Rückweg kommen uns zwei polnische Familien entgegen, mit Kindern auf dem Kindersitz – die sind da gestartet, wo wir eigentlich hinwollten. Sie mühen sich durchaus, wie auch sonst polnische Familien gern unterwegs sind, per Rad oder auch zu Fuß. Da gibt es anscheinend kaum Hindernisse – man traut sich was, auch wenn nicht alles gleich glatt läuft.

Tag 9: Wanderung im Slowinzischen Nationalpark zur Wanderdüne und Fahrt nach Habichtsberg (Jastrzebia Gora)

Wir fahren nach Rabkan (bei Leba) – mit vielen anderen, die sich dort und in der Nähe aufhalten. Eine Wanderung zur Lacka Gora, einer Wanderdüne, lässt sich etwas abkürzen. Das ist gut für uns, weil Hunde auch hier nicht mit in den Nationalpark dürfen. Wir wollen also nicht zu lange wegbleiben, lüften das Womo möglichst gut. Viele Elektro-Taxis sind unterwegs, schon in der Stadt, dann auch auf den Wanderwegen zwischen Ostsee und Jezioro Lebsko. Der Wind kommt kräftig von vorne, oft wirbelt Sand durch die Luft. Wunderschön, wie Steine oft vom Wind frei gefegt werden. Bei der Lacka Gora sind enorm viele Menschen unterwegs und schauen sich das an.

Es geht 42 m nach oben, mit einem tollen Ausblick. Doch die Sanddüne ist echt super: Man fühlt sich überhaupt nicht wie in Europa, sondern wie in einer Sandwüste. Wenn man das Auge etwas schweifen lässt, sieht man Ostsee und Binnengewässer. Gut gemacht finde ich, dass hier alles abgezäunt ist, sonst wären wohl ganz viele irgendwo im Sand unterwegs. Auf dem Rückweg sehen wir, wie sich die Düne immer mehr „Land“ bzw. Wald nimmt: Eichen sterben ab unter dem Sand, der sich meterhoch über sie türmt.

Nach einem Besuch am Leuchtturm in Stilo machen wir uns auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz. Im Internet macht ein Campingplatz auf sich aufmerksam - im Nationalpark, „alles ganz nett“, mag man denken. Doch schon die Einfahrt des riesigen Platzes liegt schräg nach hinten, da komme ich nie rein, weil ich schon in einer sehr gut gefüllten Fußgängerzone bin. Mich erinnert das an Lourdes, wo ich damals drei Mal durch eine solche Zone gefahren bin. Hier geht das allerdings deutlich länger. Google Maps scheint einen Ausweg zu kennen. Ich folge – und lande in einer Sackgasse. Also doch - umdrehen und wieder zurück, erneut durch die Fußgängerzone.

Nach einer weiteren halben Stunde Autofahrt kommen wir nach „Habichtsberg“: Das sei polnisch die Übersetzung. Auch hier müssen wir durch eine lange Folge von Verkaufsständen hindurch, bis dann, so quasi am Ende, der Campingplatz folgt. Um 88 Zl können wir hier stehen. Neben dem Bargeld will die polnisch sprechende Frau am Empfang die Ausweise sehen. Wir können selbst nach einem Platz schauen auf dem Platz, der recht „russisch“ bzw. „östlich“ wirkt.

Zum Strand geht es über eine Treppe 50 m nach unten.

 

Tag 10: Kleine Wanderung an der Ostsee, kein Glück in Danzig und Fahrt nach Marienburg

Wir machen eine kleine Wanderung an der Ostsee, dann fahren wir in Richtung Danzig weiter. Unter den sehr wenigen Campingplätzen im Führer wird ein Platz in Stogi angegeben. Als wir dort ankommen, suchen wir nach den Nummern des Platzes, weil es gleich mehrere gibt. Doch – sie alle sind komplett voll. Auch die Frage wegen einer Reservierung für die nächsten Tage bringt nur die Auskunft, wir müssten am frühen Nachmittag kommen.

Da fahren wir dann lieber etwas weiter. Wir entscheiden uns für Marienburg/Malburg, ein gutes Stück südlich. Auch dort enttäuscht uns der Womo-Führer, weil wir den empfohlenen Nogat-Platz nicht ansprechend finden. Wir fahren an den kleinen See zurück, wo wir schon vorbeigekommen waren: Hier finden wir, direkt am See, einen schönen Platz.

Noch am Abend erkunden wir Marienburg bei einem größeren Spaziergang rund um die alte Festung.

Tag 11: Besichtigung der Marienburg und Fahrt zum Frischen Haff

Bis wir schließlich in der Marienburg sind, dauert es ein wenig: So einfach ist es nicht, die richtigen Tickets zu kaufen: Beim ersten Mal mit Tickets am Eingang werden wir abgewiesen, weil wir keine Audioguides haben. Die gibt es allerdings kostenlos, sodass wir nur ein paarmal zu oft zwischen Eingang und Kasse unterwegs waren. Ein letztes Mal die paar hundert Meter bis zum Eingang, wo zwar nur einer steht, der die Tickets scannt, das aber schnell erledigt.

Die Anweisungen sind sehr detailliert, wobei sie, was die Orientierung betrifft, auch gut gemacht sind. Oft gibt es Hinweise auf Punkte, die ich eben entdeckt habe – wie in einem Raum eine Kanonenkugel, die etliche Meter über dem Boden oben aus der Wand ragt: Die sei hier, weil damit der große Raum mit wichtigen Personen hätte zerstört werden sollen – es ging knapp daneben, und das soll nun so dokumentiert werden. Manchmal müssen wir vor einzelnen Räumen längere Zeit warten, weil jeweils nur alle 10 Minuten 45 Personen eingelassen werden. Einmal sind wir erst beim dritten Mal dabei! Wenn das nochmals so sein wird, dann gehen wir weiter. – Als es wieder so war, sind wir bei unserer Entscheidung geblieben ...

Schade ist, dass die Kirche nicht im Programm enthalten ist. Wir haben hier und da versucht, einen Zugang zu finden (was im verschachtelten Zugang der Marienburg gar nicht so einfach war), bis ich jemanden gefragt habe: Wir müssten die Ausstellung verlassen und dann außen rum zur Kirche gehen. Als wir dann erstmal draußen waren - da waren wir einfach zu müde. Schön wäre es gewesen, wenn wir einen gedruckten Plan gehabt hätten, mit dem wir uns das Ganze einmal grafisch hätten anschauen können. Doch es war interessant; wir waren gerne da und haben ganz schön lange Zeit in de Marienburg verbracht. Erst nach 14 Uhr sind wir zurück.

Nun fahren wir nach Norden, zum Frischen Haff, einer Halbinsel östlich von Danzig, die bis zur Grenze nach Russland führt. Doch – die Zeltplätze passen nicht: Einer gefällt uns überhaupt nicht, der nächste nimmt keine Hunde, der dritte ist voll, ein kleiner liegt direkt an der Straße. Zwischendurch müssen wir immer viele Minuten warten, weil die einzige Straße auf der Halbinsel gerade kilometerweit repariert wird.

Also fahren wir bis kurz vor die russische Grenze auf einen Campingplatz. Der ist nicht ganz so günstig wie andere bisher, jedoch auch nicht teuer (116 Zl), wobei: Wenn man sich vorher anmeldet und 10 Zl extra zahlt, kann man auch in einer Dixi-Dusche warmes Wasser kriegen. Auch die WCs sind in Dixis untergebracht, haben echtes Wasser, doch es gibt nur in den ersten beiden Licht. Bei den anderen muss man abends schauen, wie man ohne Taschenlampe die Tür noch so weit öffnen kann, damit man auch WC und Klopapier sieht ...

Hier gibt es übrigens Wildschweine auf dem Zeltplatz. Nun weiß ich, warum Billy vorhin etwas seltsam drauf war. Er hat sicher das Wildschwein gerochen.

Zwischenbilanz nach einer Woche Urlaub in Polen

Es ist nicht ganz so leicht, hier für den Urlaub anzukommen. Vieles wirkt irgendwie streng; der junge Mann mit Einschränkungen in der Kirche vorgestern, der sich aufgeregt hat, wenn sich jemand im Altarraum aufhält. Die erboste Dame auf dem Parkplatz, dass wir das Auto woanders hinstellen sollten, obwohl ich nirgends einen Hinweis gefunden habe, dass wir hier nicht stehen sollten - das war wohl nur für Busse. Sie wusste keine Antwort, warum wir hier nicht parken sollten. Sie hat fleißig Strafzettel – auch an Polen – verteilt, obwohl es 50 m weiter einen kostenfreien Parkplatz gab, direkt vor der Kirche. Das Hundeverbot in den Nationalparks, an das sich einerseits die meisten halten, von dem wir aber von den Rangern selbst sowas wie `ne Ausnahmegenehmigung erhalten hatten, dass wir Billy – trotz Verbotsschildern – doch an den Strand mitnehmen dürfen. Oder die nationale, sprachliche Ungerechtigkeit, dass meist nur in polnisch etwas erklärt wird, was wir wie die meisten Touristen überhaupt nicht verstehen können.

Einerseits hat sich hier in den letzten Jahren sehr viel getan. Auch jetzt wird gebaut – Häuser, Straßen, Läden – meist mit deutschem, teils französischem Vorbild durch Lidl, Kaufland, Intermarché.

Und, nicht zuletzt: Mich erinnert das politisch-geschichtliche Polen einerseits stark an Deutschland. Ich kann, ähnlich zu dem, was ich hier in Polen wahrnehme, auch nicht genau sagen, welche Ethnien Deutschland prägen, wie sich Deutschland in den letzten 1000 Jahren entwickelt hat. Da lese ich, dass Albrecht von Hohenzollern bei den Deutschen Rittern viel zu sagen hat, komme immer noch nicht mit den räumlich-geografischen Bezeichnungen Pommern, Preußen, Schlesien, Groß- und Kleinpolen und mit deren geschichtlicher Entwicklung zurecht – wie es mir zugleich mit Schwaben und Württemberg ganz ähnlich geht. Baden ist hier klarer – das ist so grob zwischen Rhein und Schwarzwald angesiedelt -, schon in Bayern wird es schwieriger mit den Franken und den Schwaben. Vielleicht gehört auch das zu den Abgrenzungsproblemen zwischen Deutschen und Polen, dass sie – anders als Frankreich, Italien, England - nicht so klar geografisch abgegrenzt und gegliedert sind, sondern sich Polen wie Deutschland im Innern von Europa immer wieder neu finden mussten? So ähnlich, wie es im früheren Jugoslawien oder den Ländern ist, die früher die UDSSR gebildet haben, wo es durch die Geschichte immer wieder Machtwechsel gegeben hat.

Andererseits ist an vielen Orten in Polen auch 2024 stark zu spüren, was der 2. Weltkrieg hier an Unrecht gebracht hat. Ein deutliche anders Bewusstsein für diese Jahre von 1939 - 1945, als ich es aus Deutschland, dem Geschichtsunterricht und wie ich es selbst sehe, kenne. Ich bin gespannt, was wir noch sehen - in Stutthof, in Gdansk, in der Wolfsschanze.

Abends lese ich gerade im Buch „Polen verstehen. Geschichte, Politik, Gesellschaft“ von Gerhard Gnauck, der sein Buch mit einer Karte von 2018 beginnt, wohl damit man sich eher vorstellen kann, wie verschiedene polnische Räume heute zueinander gehören. Doch das Buch ist enorm lang und der Autor liebt Details. Vielleicht sind es einerseits auch gewisse Parallelen zwischen der polnischen und der deutschen Geschichte, die es erschweren, neben deutlichen Differenzen – siehe Sprache oder Religion – die Abgrenzungen und Ähnlichkeiten klar zu erfassen.

Tag 12: Stutthof und Fahrt nach Danzig

Über die Düne gehen wir zur Ostsee. Billy hat sich schon mehrfach von den Wellen überrollen lassen, doch das hält ihn nicht ab, immer wieder ins Wasser zu gehen. Wir trennen uns - ich mache mich mit dem Rad auf nach Stutthof, wo wir uns später treffen.

Der Radweg 10 läuft an der Ostseeküste entlang: Meist ein Waldweg, auf dem es sich recht gut radeln lässt. Als ich nach einer Weile näher an touristische Orte komme, wird aus dem Waldweg ein gepflasterter Weg – mit verschiedenen Farben für Radler und Fußgänger. Auch die Fußgänger werden mehr, viele wieder mit Ausrüstung für einen Strandtag. Dann, nach dem Strandbad, werden die Fußgänger weniger, aus dem Weg wird ein Waldweg. Radler sind mit erstaunlich wenig E-Bikes unterwegs; viele mit Gravelbikes mit meist sportlichem Tempo.

Dass „Stutthof“ sehr wohl für ein großes KZ steht, war mir wohl bewusst. Dass hier über 65.000 Menschen umgebracht wurden, war mir nicht bewusst. Dazu passt so gar nicht, wie viel hier erstaunlich improvisiert wirkt, schon der Eingang ins Konzentrationslager: Nur eine Holztür, die von den Gefangenen „Tor des Todes“ benannt wurde. Da ist nichts Gemauertes oder ein festes Tor wie in Auschwitz oder Buchenau. Auch die Gaskammer ist einfach so mitten rein gebaut, auf der einen Seite so etwas wie ein „Ofen“, wo die Zyankali-Kapseln geöffnet wurden. Dahinter auf einem Schmalspurgleis zwei Wagen mit dem Hinweis, dass teils auch in Zugwagen Menschen vergast wurden: Sie wurden eingesperrt, der Zug fuhr eine kurze Strecke und endete dann gleich vor dem Krematorium.

Innen viele, auch persönliche, Erinnerungen an einzelne Menschen, an die Länder, aus denen sie kamen. Im neuen Lager, das später errichtet wurde, gab es dann eine Fabrik, die Teile für die Wehrmacht herstellte: Viele, die hier arbeiteten, durften gar nicht zum Abendappell, sondern mussten bis spät in die Nacht arbeiten.

Zwei Filme wurden schon vor längerer Zeit gedreht, die in einem kleinen Kino gezeigt werden.

Wir planen, auf zu einem Campingplatz nahe bei Danzig zu übernachten. Wieder mal dauertes deutlich länger, bis wir dort ankommen – und es ist wieder alles voll. Nach längerem Überlegen fahren wir direkt in die Innenstadt, wollen beim Museum des II. Weltkriegs parken, und stellen fest: Das ist nur eine Tiefgarage. Doch in der Straße daneben gibt es einen Parkplatz. Der kostet heute nicht mal mehr was, weil es schon nach 17 Uhr ist.

Wir gehen an die Mottlawa, wo gerade die Fußgängerbrücke hochgeklappt ist, weil mehrere größere Schiffe durchfahren. Es ist sehr, sehr viel los. Wir gehen am Krantor vorbei, besuchen die Marienkirche, wo gerade Gottesdienst ist und gehen dann zu einem wohl insbesondere bei Touristen bekannten Gasthaus mit Piroggen: Eine lange Schlange steht davor. Zwei hinter uns verabschieden sich nach einiger Zeit, weil sie Hunger haben. Vor uns vier Menschen aus Nürnberg. Wir können schon mal Getränke bestellen, die wir auch noch in der Schlange erhalten. Dann – das haben wir noch nie erlebt – gibt es auch eine Hundekarte mit vier verschiedenen Gerichten, in drei unterschiedlichen Gewichtsklassen!

Von traditionellen Piroggen mit Spinat bis zu frittierten mit etwas indischen Gewürzen und einer Erdnusssauce gibt es sehr verschiedene Piroggen. Jedenfalls schmecken unsere sehr gut. Allerdings kommt Billys Essen erst nach einer weiteren Nachfrage. Ist er wohl beleidigt?

Wie sich dann zeigt, konnte er sich sehr wohl merken, dass er erstmals in einem Restaurant ein eigenes Essen bekommen hat: Sobald wir nun an einem Restaurant vorbei kommen, will er immer dahinein abbiegen. :)

Tag 13: In Danzig und Fahrt nach Olzstyn (Allenstein)

Das Museum des II. Weltkriegs, vor unserer Haustür, ist echt klasse gemacht – schon zum Eingang müssen wir eine Etage absteigen. Die Eingangstür ist nicht waagrecht, sondern versetzt gebaut: Die Beine sind noch draußen, während der Kopf schon drin ist. Dann geht es nochmals zwei Stockwerke nach unten. Wieder ist der Audioguide so eingestellt, dass jeweils da, wo man sich befindet, auch der entsprechende Ton eingeblendet wird. Das macht es, mit präzisen Angaben zum Ort oder zu Merkmalen, an denen man sich orientieren kann, leicht. Zu Beginn informiert ein Film über die Vorgeschichte des II. Weltkriegs, erinnert an den Start vom 1. Weltkrieg, seinen Verlauf und Auswirkungen mit dem Versailler Vertrag, mit dessen Ergebnis weder die Deutschen noch die Russen zufrieden waren. Weltwirtschaftskrise und allgemein das Erstarken nationalistischer sowie extremer politischer Richtungen – nach links in und um Russland und in Asien, nach rechts insbesondere in Italien und Deutschland, werden gut und verständlich dargestellt. Immer wieder der Hinweis auf einzelne Menschen und ihr Schicksal, oft durch kleine Filme ergänzt, zugleich ein weltweiter Blick, der auch Japan und China genauso wenig außen vor lässt. Der Terror der Nazis wird dargestellt wie auch der – polnisch geschriebene – Widerstand (der nicht nur auf Polen beschränkt ist, sondern auch Widerständler in Frankreich oder auch Sophie Scholl erwähnt). Manchmal muss man im Museum echt aufpassen, damit man mitbekommt, wo der Weg „in den Hintergrund“ führt.

Der 1. September 1939 wird wieder mit einem Film beschrieben. Das passt gut, weil wir dann, bevor wir Danzig verlassen, noch zur Westerplatte wollen, wo der II. Weltkrieg begonnen wurde.

Wir sind lange im Museum, weil es viel gibt, das hier gut dargestellt wird. Dennoch sind uns viele Hinweise, was wir noch anschauen könnten, zu viel. Doch das ist auch eine gute Möglichkeit, sich einzelnen Personen und ihrem Schicksal – wenn es einen gerade anspricht – auch noch weiter nachzugehen.

Wir schauen uns weiter um und treffen uns später im Museum der Solidarnosc. Das Museum scheint mir wie eine Kopie des Museums des II. Weltkriegs geplant, wobei es hier nun nach oben geht. Wieder mit Audio-Guide, der aber nicht so klar ist. Immer wieder suche ich nach Objekten oder einem gewissen Punkt im Ausstellungsraum, von dem ich bestimmte Dinge sehen soll – vielleicht bin ich einfach schon etwas zu ausstellungs-müde, um das noch alles wahrzunehmen.

Schön ist hier eine Karte, die darstellt, wie sich die Staaten der früheren UDSSR aus dem kommunistischen Machtbereich entfernt haben, jeweils mit dem Termin, als sie diesen Bereich verlassen haben. Mir war nicht bewusst, dass die frühere USSR jetzt nur noch „Russische Förderation“ heißt, sodass nun geder Bezug zu Kommunismus etc. fehlt.

Wir fahren noch weiter an einen See, wo der Campingplatz wieder voll ist. Darüber gibt es einen weiteren – recht schlicht, der aber auch wie der empfohlene in der Nacht von lauter Disco-Musik bedröhnt wird: Kaum möglich, vernünftig zu schlafen. Wohl wegen dieses Festivals ist hier auch entsprechend viel los.

Tag 14: Nach Allenstein, zur Wolfsschanze und an den Jezioro Jagodine-See

Schon morgens kommt jemand vorbei und kassiert 80 Zl für eine Nacht, natürlich ohne Quittung, wie er auch sonst nicht viel macht. Ob es hier mal besser ausgesehen hat auf dem Campingplatz? - Beim Bad im See war Billy war echt willig, wollte auch danach immer wieder an den See und baden; dass es keine Wellen gab, die ihn umgehauen haben, fand er klasse. Er wollte einfach nicht mehr raus.

Wir fahren in Richtung Wolfsschanze. Das Navi schickt uns an einer Kreuzung auf einen Schotterweg. Hmm – ob das was wird, oder werde wir, wenn wir nicht abbiegen, dann umso länger unterwegs sind? Wir biegen ab, und nach einiger Zeit wird der Weg wieder besser: Gute Entscheidung!

Allenstein findet der Womo-Führer supertoll, während wir denken: Okay; mehr jedoch auch nicht. Das Ansprechendste finden wir den Markt, wo viele Leute aus der Umgebung Selbstgebackenes anbieten oder Heidelbeeren, die sie wohl selbst im Wald gesammelt haben. Gurken wie früher zu Hause, die es auch in größeren Päckchen für 50 Zl gibt und viele Haselnüsse sowie Kräuter.

Wir kaufen salzige Kuchen, wohl mit Buchweizengrütze, auch mit Fleisch – und, natürlich, salzige Piroggen.

Dann machen wir uns auf den Weg zur Wolfsschanze, wieder mit etlichen Kilometern Schotterpiste.

Die Bezeichnung „Wolfschanze“ kommt daher, dass sich Hitler schon in den 20er Jahren selbst als „Wolf“ bezeichnet hat. Das wird nun durch viele hölzerne „Wölfe“ am Eingang und im Gelände dokumentiert.

Auch hier lösen die Informationstafeln wieder bei mir den Eindruck aus, dass die Nationalsozialisten in kurzer Zeit etwas improvisiert gebaut haben und es später verstärkten. Hier massiv durch Beton: Mit 3 m gibt es außen eine Betonhülle, dann folgen nach innen 50 cm, die mit Splitt aufgefüllt wurden. Dann folgt nach innen eine weitere, nochmals 2 Beton-Meter starke Wand: Vielleicht war das der Grund, dass die Alliierten hier nicht angriffen? Als die Wolfsschanze verlassen wurde, hat enorm viel Sprengstoff nicht ausgereicht, die Gebäude zu zerstören.

Mich wundert es auch nicht, dass außer Hitler (und Bormann) kaum jemand hier übernachtet hat. Manche sind oft spätabends noch 100 km gefahren, damit sie nicht in der Wolfsschanze übernachten mussten. Hitler, so heißt es, habe an rund 800 Tagen während des II. Weltkriegs hier gelebt. Das war mehr als an allen anderen Orten während des II. Weltkriegs.

Am Ende wird über das Attentat vom 20. Juli 1944 erinnert, als der Versuch, Hitler durch eine Bombe umzubringen durch Stauffenberg scheiterte. - Noch in der kommenden Nacht wurde Stauffenberg erschossen.

Tag 15: Pausentag am Port/See Jagodne

Nach längerer Suche, weil wieder ein Campingplatz geschlossen hatte, fanden wir im Port Jagodne einen passenden Platz. Wir machen erstmal Pause. Am Nachmittag fahren wir dann noch eine Runde um den See. Wir sind vielfach auf Schotter und Sand unterwegs, was keinen Spaß macht.

Tag 16: Spaziergang in Port Jagodne und Fahrt nach Ukta/Krytian

Wir unternehmen einen schönen Spaziergang, sehen an einem kleinen See viele Vögel sowie tolle Pferde. Dann fahren wir an den Krytian-Fluss: Das ist hier das Highlight, wenn man paddeln will. Wir entdecken einen kleinen Zeltplatz, nahe bei der Brücke in Ukta, wo die meisten Kanu-Unternehmen Boote in Empfang nehmen oder ausgeben. Da stelle ich mein Rad ab und wir fahren nach Krytian, wo es keinen normalen Parkplatz gibt, erst recht keinen, wo wir unser Boot hätten aufpumpen können. Wir leihen uns also einen Kanadier und zahlen dafür keine Parkgebühr; für Billy ist es so wohl auch besser als in unserem Kanadier zum Aufblasen: So hat er einen festen Boden unter sich.

Es ist enorm, wie viel hier los ist – und wie wenig Anfänger vom Paddeln verstehen; die meisten tun sich trotz Kayaks sehr schwer, weil sie wohl wenig Erfahrung haben. So können wir entspannt doch an so manchem Boot vorbeigleiten, kehren dann aber wieder um, weil so viele Boote vor uns sind – doch nach einer kleinen Extrarunde haben wir diese bald wieder eingeholt. Nach etwa 8 km halten wir an einer „Bar“, trinken was und erholen uns von der Hitze. Denn, auch wenn nicht ständig die Sonne knallt, ist es doch ziemlich warm. Es ist echt schön hier zu paddeln – nochmals ganz anders als mit dem Womo durch die Masuren zu fahren! Nach knapp 3 Stunden haben wir gut 12,6 km hinter uns gebracht. Ich fahre mit dem Rad zurück, hole das Auto und wir stellen uns auf den Campingplatz.

Tag 17: Kayak-Tour; Ukta

Wir leihen uns vom geschäftstüchtigen Sohn des Inhabers ein Kayak aus, indem Billy vorne richtig gut sitzt und sogar mit der Zeit einfach einschläft – die Schnauze auf den Bootsrand aufgelegt, so hängt er da und genießt die Zeit im Boot. Im nächsten Dorf haben wir zunächst keinen Empfang, auf der Brücke kann ich anrufen und wir werden abgeholt. Wir fahren nach Ruciane-Nida und schauen uns etwas um.

Am Abend gehen wir noch in ein kleines Restaurant in Ukta, an der Wegkreuzung gelegen – innen ist es gar nicht so klein und bietet sowohl polnisch-klassisch Kotelett und Sauerkraut, Kartoffelklöße, so ähnlich wie Gnocchi, mit Huhn, Ente, Schwein, Rind an, auch leckere Suppen. Die Pilzsuppe ist schon fast ein Abendessen. Wein gibt es zu 150 ml für 16 bzw. 19 Zl, was nun wirklich nicht viel ist, wenn man bedenkt, dass es ja keinen „eigenen“ polnischen Wein gibt, sondern der importiert werden muss.

Tag 18: Radtour Ruciane-Nida nach Norden/Fähre, Fahrt nach Warschau

In Ruciane-Nida parken wir wieder am Ortsausgang und radeln nach Norden zum Pferdehof Popielno, dann nach Wierba, wo es die einzige Fähre in Masuren geben soll. Wir fahren in Richtung Süden, insgesamt knapp 35 km. Am Anfang fuhren wir mit Komoot, was jedoch nicht gut funktionierte: Zweimal kannte die Karte den Weg überhaupt nicht – oder es gab keine Straße, wo eine hätte sein sollen. Mit Google Maps ging es dann deutlich besser weiter.

Nun fahren wir in Richtung Warschau. Teils fahren wir innerorts auf Kopfsteinpflaster: Da braucht es keine liegenden Polizisten: Es fährt hier jeder langsam genug. Manche asphaltierten Abschnitte waren so schmal, dass kaum zwei Fahrzeuge aneinander vorbei passen - oder man probiert es doch, was meist klappt.

Die letzten Kilometer nach Warschau rein werden zur Geduldsprobe. Immer wieder Stau. In Warschau stellen wir uns zunächst auf einen Platz an der Weichsel, der allerdings so laut ist, dass man hier nicht schlafen kann. Wir machen einen Spaziergang, dürfen aber nicht in den Garten des Schlosses, weil der Hund nicht rein darf. Wir gehen auf den Rynek, wo wir einmal die Seejungfrau in der Mitte bewundern und dann an einem Brunnen Billy Wasser auf den Händen geben – er hört fast nicht auf zu trinken: Wahrscheinlich hat ihm das letzte Wasser im Womo nicht gut geschmeckt. Nun wird er also - neben dem Essen - auch beim Wasser wählerisch!

Wir gehen der Stadtmauer entlang und wieder bis zum Schloss, besuchen nochmals den Marktplatz. Nicht weit entfernt soll es einen Stellplatz geben: Wir kriegen da einen mäßig schönen Platz mit Matsch vor der Tür. Jedenfalls können wir hier besser schlafen als auf dem ersten Platz.

Tag 19: Besichtigung Warschau und Fahrt nach Jasna Gora/Tschenstochau

Bei den vielen Dingen, die man in Warschau unbedingt ansehen sollte, fällt die Wahl schon sehr schwer, wenn man nur einen Tag Zeit hat. Das Jüdische Museum wollen wir besichtigen, fahren mit den Rädern bei der Anna-Kirche vorbei und schauen vom Turm von oben auf Warschau. Das Jüdische Museum soll an den Auszug aus Ägypten erinnern und den Weg durch das Schilfmeer. - Im Rucksack war noch mein Taschenmesser vom Mittagessen, das ich abgeben muss mit Ausweis: Es wird eingetragen, damit ich es nach dem Besuch wieder bekomme.

Unglaublich, wie schnell die Zeit verrinnt! Als der Audio-Guide meint, ich hätte nun 1/3 der Ausstellung gesehen, habe ich schon mehr versucht aufzunehmen. Weitere 2/3 der Ausstellung und im Audio-Guide werden mir zu viel. Ein Punkt, der mir auffiel und den ich zu Hause noch überprüfen will: Das Museum betont, dass Polen geschichtlich ein recht positives Verhältnis zum Judentum hatte. Das möchte ich mit Wolffssohns anderer jüdischer Weltgeschichte prüfen.

Den Kulturpalast können wir nicht besuchen, weil da eine große Baustelle ist. Näher kommt man nicht heran. Also trinken wir noch einen Abschiedskaffee in einem kleinen Café, mit leckerem Apfel- und Pistazienkuchen: Wir halbierten beide Stücke – und hatten dann jeweils zwei schöne Kuchenstücke auf dem Teller. Sie schmeckten jeweils sehr gut und sättigten uns so, dass wir am Abend eigentlich nicht mehr viel brauchten.

Warschau zu verlassen, war wie der Weg hinein: höchst zäh. Google Maps ist durchgehend rot. Noch eine halbe Stunde später haben wir den Eindruck, dass wir die Stadt mit über 1,7 Mio. Einwohnern nicht richtig verlassen haben, sondern immer noch durch Plattenbausiedlungen weiterfahren, mit vielen aktuellen Baustellen, wo weitergebaut wird.

Wir fahren nach Jelenia Gora mit dem Wallfahrtsheiligtum Jasna Gora – das meistbesuchte Marienheiligtum in Mitteleuropa, wie uns Wikipedia wissen lässt. Nur in Lateinamerika gibt es Marienheiligtümer, die noch mehr Besucher ausweisen; Lourdes hält sich da bedeckt; es gilt auch kirchenoffiziell nicht als Marienheiligtum.

Es dämmert schon, als wir ankommen. Doch – das hat seinen Reiz, am Abend in einer Stadt ankommen. Da lässt sich noch etwas vom Ausklang des Tages erleben. Auch hier sind, wie in Lourdes, Hunde verboten. Ein Gottesdienst ging wohl zu Ende, um 21 Uhr startet ein weiterer: Es gibt hier sehr viele Orte, neben der Basilika weitere Kirchen, auch verschiedene Orte im Freien, wo Gottesdienst gefeiert werden kann. Die Menschen gehen recht aufmerksam miteinander um, auch wenn man wartet, was hier oft der Fall ist. Viele schauen sehr ernst. Viele Familien sind da, spät abends auch noch mit Kindern. Und uns fallen viele Männer auf, auch viele Jugendliche, die es hierher zieht.

Auf einer Art Empore entdecke ich einen Kreuzweg, „Golgota Jasnogórska. Trzeciego Tysiaclecia“ von Jerzy Duda Gracz, den er zu Anfang des Dritten Jahrtausends für die Wallfahrtsstätte geschaffen hat. Schon um 1900 hatte es Überlegungen gegeben für einen neuen Kreuzweg. 2000 bis 2001 hat Gracz 18 Gemälde geschaffen, die 2001 im 1. OG in der Kapelle der Gottesmutter vom päpstlichen Erzbischof Kowalczyk geweiht wurden.

Es ist ein sehr polnischer Weg, mit dem der Künstler Betrachter „geißelt“. Jan Golonka OSPPE schreibt in seinem Führer: „Jesus, dem sich jeder von uns mit seinem Leiden nähern kann, ohne die Angst vor der Abweisung zu haben.“

Was in der textlichen Beschreibung völlig fehlt, das sind die zahlreichen Bezüge zu den Konzentrationslagern der frühen 1940er Jahre. Schon die erste Szene erinnert mich an den Hunger im Warschauer Ghetto, Menschen in Rollstühlen und viele Krücken an behinderte, getötete Kinder beim dritten Fall, Menschen in KZ-Kleidung mit dem „P“ für Polen bei der Kreuzigung (und viele Kreuze im Hintergrund, auch beim Sterben Jesu) oder Soldaten bei der Pieta, Stacheldraht und Holzzäume, ein „P“ mit „1939 – 1945“ beim Grab. – Woran liegt das? Daran, dass hier in Polen, deutlich mehr als in Deutschland, so oft an die Wunden, Schmerzen, Tod und Grausamkeit des II. Weltkriegs erinnert wird, dass man darauf gar nicht mehr aufmerksam machen muss? Dass das einfach „dazugehört“, klare Realität ist für Menschen in Polen – etwas völlig anderes als das, was Bundeskanzler Helmut Kohl in die fehlleitenden Worte von der „Gnade der späten Geburt“ zu fassen versuchte?

Was aber noch krass auffällt ist, dass Frauen in diesem "Golgatha" - nicht in der Textbeschreibung, sondern in den Kunstwerken - völlig fehlen: Nicht mal bei der Kreuzigung oder bei der Auferstehung folgt der Künstler den Evangelien, die hier sehr klar von der Rolle der Frauen sprechen. Warum wird so offensichtlich die Rolle und Bedeutung von Frauen völlig ausgeblendet? Zeigt sich hier doch der sehr deutliche Männerbezug der katholischen Kirche, auch wenn 2000 „Maria 2.0“ noch nicht die Bedeutung hatte wie 2024?

Tag 20: Besichtigung von Jasna Gora, Fahrt nach Breslau und weiter Richtung Dresden

Was wohl weder unser Womo-Führer noch der Stellplatzführer des ADAC kennen, sind die Möglichkeiten, auf dem Parkplatz (der nur 5 € pro Nacht kostet), das WC zu leeren wie auch Wasser aufzutanken. Wir gehen für eine weitere Runde nach Jasna Gora. Militärisch gekleidete Menschen fallen auf, auch eine ganze Militärkapelle ist dabei. Bei einer Feier mit Pfarrern werden später Orden überreicht. In einem schön gestalteten Raum im Untergeschoss – der ebenfalls „Golgota“ heißt – sind weitere Urkunden bereitgestellt, die dann wohl auch noch überreicht werden. Ganz anders als auf dem Kreuzweg sind beim Militär erstaunlich viele Frauen in militärischer Uniform zu sehen.

Wir schauen den Schatz an, umrunden zunächst in einer „inneren“ Tour die Befestigung, die nach außen auf einem zweiten Wall mit einem großen Kreuzweg umgehen ist. Unten hat sich in einem Konferenzraum eine größere Gruppe versammelt, oben im Freien treffen sich ebenfalls viele Menschen, die auf einem Fahrrad-Dreirad eine Mikrofonanlage die Treppen herauf transportieren. Hinten, in Richtung der Stadt Jelena Gora, gibt es eine große, hohe Tribüne, auf der Papst Johannes Paul II. bei seinen verschiedenen Besuchen wohl jeweils vor einer großen Versammlung Gottesdienst zelebriert hat.

Bei einem Rundgang mit Billy außen um das Heiligtum kaufe ich mir ein Priesterhemd. Wir essen ein letztes Mal von den getrockneten Felchen und machen uns auf den Weg nach Breslau.

Da haben wir Glück, dass wir nicht weit von der Altstadt einen Parkplatz bekommen. Wir besuchen das schöne Rathaus und den Marktplatz, wo ein Klarinettist und eine Cellistin bekannte Stücke zum Besten geben, nebendran ein Künstler mit Seifenblasen, der, was richtig schön ist, Kinder animiert, mit ihm Seifenblasen zu machen. Richtig klasse sind die kleinen Zwerge, die es in der Stadt gibt. Mit einem kleinen Stadtplan für die Zwerge werden nicht nur Kinder, sondern auch ihre Eltern oder gelegentlich auch drei Generationen animiert, diese zu suchen.

Vor der Basilika erinnert ein polnisch-deutsches Denkmal an Dietrich Bonhoeffer. Schön, an ihn hier erinnert zu werden – wobei mir nicht bewusst war, dass er hier in Breslau geboren wurde. Wie war das mit der Zugehörigkeit der Stadt Breslau zu Polen und Deutschland? Bis 1945 hieß die Stadt Breslau, seither nun Wrozlaw.

Das war schon eine sehr intensive Beschäftigung mit der deutschen und deutsch-polnischen Geschichte, die ich mir so vor dem Urlaub nicht vorgestellt hatte. Was so ein kleiner Schaden am Auto wie mit dem Spiegel an Auswirkungen hat mit dem Besuch in Buchenwald, persönlichen Erinnerungen und Gespräche zu dem, was in den 1980ern war, wie sich die „Wende“ ausgewirkt hat – und nun im Urlaub fortgesetzt durch Besuche in Stutthof, Danzig mit dem Weltkriegsmuseum, der Westerplatte und der Wolfsschanze sowie den Ausstellungen.

Jedenfalls: ein höchst eindrucksvoller Urlaub, der weit mehr geboten hat als tolle Aussichten auf die Ostsee, die masurische Seenplatte oder die Städte, die wir besucht haben.

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